31 | Erschöpfende Entscheidungen: Die Spoon Theory erklärtSpotify, iTunes, YouTube

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Zusammenfassung

In dieser Episode beschäftigen sich Max und Selène mit der Spoon Theory, einer Methode, um das Energielevel von Menschen mit chronischen Krankheiten zu veranschaulichen. Anhand eines Beispiels aus dem Blog von Christine Miserandino, die die Theorie entwickelte, wird erklärt, wie tägliche Entscheidungen und Aufgaben die Energie (Löffel) von betroffenen Personen aufbrauchen. Sie diskutieren detailliert, wie alltägliche Aktivitäten für Menschen mit chronischen Krankheiten extrem energieraubend sein können und wie diese Menschen ihre begrenzten Ressourcen sorgfältig einteilen müssen. Dabei wird verdeutlicht, dass gesunde Menschen oft nicht die gleiche Notwendigkeit haben, ihre Energie zu planen, was die Belastung für chronisch Kranke noch deutlicher macht.


Transkript

Max: [00:00:00] Wenn du dir vorstellst, wie viele Entscheidungen du am Tag fällen kannst, hast du wahrscheinlich am Anfang des Tages kein Gefühl dafür, wie das Ende des Tages ausgehen wird. Wenn du stattdessen eine Art Währung dafür hättest, dann könntest du vorher entscheiden, auf wie viele potenziell entscheidungsträchtige Sachen du dich einlassen würdest oder nicht.
Max: Oder du hättest ein gutes Gefühl, wie schwierig der Tag wird. Die heutige Episode dreht sich um die sogenannte Spoon Theory, oder zu deutsch Löffeltheorie, je nachdem welches Wort du magst. Das ist nicht unsere Idee, aber wir haben sie einmal in einem Gespräch zusammengefasst. Viel Spaß.
Max: Okay, erzähl Dinge.
Selène: Um, ja, ich wollte eigentlich schon seit einer Weile auf Instagram mal einen Beitrag darüber machen. Also über [00:01:00] Spoon Theory. Ich weiß nicht, ob das alle kennen, die Löffel-Theorie quasi.
Max: Ich glaube, man kennt die Löffelliste, aber nicht die Löffeltheorie.
Selène: Ja, ähm, das Ding ist, ich dachte, wenn ich schon darüber reden möchte, dann will ich auch wenigstens die vernünftigen Quellen angeben.
Selène: Du weißt, wissenschaftliche Forschung und so und irgendwie, ne? Ja, wo hast du das her? Es gehört sich irgendwie den Leuten zu sagen, wo es herkommt. Und, ähm, die Spoon Theory kommt von einem Blog, ähm, von Christine Miserandino. Und die hat einen Blog, den ihr unter butyoudontlooksick.com findet.
Selène: Und, ähm, Ja, äh, da kann man auch das komplette Paper zu dem, äh, zu der Spoon Theory nachlesen. Die hat nämlich da einmal schön erklärt, wie sie darauf gekommen ist und was das eigentlich bedeutet. Und die Kurzfassung davon ist, sie hat mit einer Freundin abends in einem, in einem Restaurant gesessen und, ähm, die Christina, die das, äh, erfunden hat, die hat Lupus.
Selène: Das ist, kurz gesagt, eine chronische Krankheit, die Einfluss auf viele, [00:02:00] viele, viele Sachen in dem Leben hat. Das wäre Proto-Immun
Max: oder so. Ich weiß es nicht, aber ich müsste es gucken. Ja, ja, ich
Selène: glaube auch, aber es ist auf jeden Fall eine chronische Krankheit. Die geht nicht einfach wieder weg und die hat man halt.
Selène: Okay, ja. Und, ähm, das Ding ist, dass sie, äh, ihre Freundin hat sie gefragt, wie das eigentlich ist, krank zu sein. Und Christine hat, hat ein bisschen rumüberlegt, wie sie das erklären kann. Und hat dann in dem Restaurant alle Löffel eingesammelt und die ihrer Freundin in die Hand gedrückt und hat gesagt, so hier, du hast jetzt Lupus und du hast jetzt diese Löffel und für jede Aufgabe Die du am Tag bewältigen musst, nehme ich dir mal einen weg und wir gucken mal, wie weit du kommst und welche Aufgaben du dann priorisieren möchtest.
Max: Und was dann so übrig bleibt, dann Löffeln oder Aufgaben? Genau, ihre Freundin
Selène: fing an mit, ja, also ich stehe auf und dann gehe ich zur Arbeit. Aber so einfach ist das nicht für Menschen, die vielleicht eine chronische Krankheit haben. Und, um, Christine hat dann erklärt, naja gut, ich muss morgens aufstehen und es ist für mich schon sehr anstrengend aufzustehen, weil ich meistens nicht gut schlafe, weil ich Schmerzen habe.
Selène: Also, [00:03:00] hab ich vielleicht sogar verschlafen, ähm, nicht gut geschlafen, bin immer noch müde. Ich muss mir gut überlegen, welche Kleidung ich anziehen kann, wenn ich zum Beispiel Schmerzen in meinen Gelenken hab. Dann kann ich keine Knöpfe zumachen, also kann ich keine Bluse mit Knöpfen anziehen. Und morgens in der Dusche mit Beine rasieren und Haare waschen, dieses Ganze runter und hoch und runter und hoch.
Selène: Das ist für sie sehr anstrengend, weil ihr das oft Schmerzen bereitet. Das heißt… All diese Sachen kosten sie sehr viel Energie, weil sie ihr wehtun aufgrund ihrer chronischen Krankheit. Und deswegen kosten die schon mal pauschal zwei Spoons, weil sie muss sich ja morgens fertig machen. Und, um, sie kann sich entscheiden, sich nicht die Beine zu rasieren und sich nicht die Haare zu waschen.
Selène: Dann, ja, dann halt nicht, ne? Aber wie lange willst du so rumlaufen, dass du nicht put together, also nicht, nicht irgendwie gemacht aussiehst? Ist auch auf Dauer ziemlich nervig und anstrengend. Und sie erklärt dann weiter, okay, um, zur Arbeit fahren, arbeiten und so weiter. Gibt für alle Sachen, die sie so machen [00:04:00] will, nimmt sie ihrer Freundin einen, einen Löffel weg.
Selène: Und am Ende des Tages sitzt die Freundin da und hat einen Löffel übrig und möchte sich gerne Abendessen machen. Und Christine sagt, ja gut, du kannst dir jetzt Abendessen machen, aber das kostet dich deinen letzten Löffel. Danach hast du keinen mehr, um den Abwasch zu machen. Und die Freundin realisiert an dem Punkt, wie schwierig das eigentlich ist, wenn man vorher planen muss, was man alles am Tag machen kann.
Selène: Und wenn die eigene Energie
Max: so eine knappe Ressource ist.
Selène: Um, und wenn ich draußen esse, ja dann musst du dahin fahren und wieder zurück fahren und das ist super anstrengend. Und Autofahren oder Bus fahren oder Zug fahren, möglicherweise kostet dich das tatsächlich auch nochmal Energie und mehr Geld und.
Selène: Willst du das machen? Und vielleicht ist dir ja auch eigentlich schlecht, weil du bist chronisch krank. Und, na. Um, all diese Dinge kosten, kosten Christina einfach sehr viel Energie eben, weil sie ne chronische Krankheit hat. Und, dann sitzt die Freundin da und hat keine Löffel mehr. Und in ihrem [00:05:00] ausgedachten Tag ist es jetzt abends und sie hat sieben Uhr abends.
Selène: Sie kann den Abwasch nicht mehr machen. Sie hat keine Löffel mehr, sie könnte jetzt feiern gehen, sie könnte jetzt zu Freunden fahren, sie könnte jetzt noch was lernen für die Uni oder irgendwas anderes machen, aber sie hat keine Löffel mehr. So, und dementsprechend sitzt sie jetzt da und kann nichts mehr machen, weil ihre Löffel sind alle.
Selène: Und in der Spoon Theory erklärt Christine halt, dass sie gelernt hat, mit immer einem Extra-Löffel in der Tasche zu leben, weil du weißt nie, wann man ihn braucht und deswegen muss sie ihre Tage so planen. dass sie dabei nicht so viele Löffel ausgibt. Was im Klartext heißt, man muss sehr, sehr viele Dinge sehr, sehr langsam angehen.
Selène: Weil man nicht 100 Aufgaben in einen Tag packen kann. Und das ist für die, in der Theorie ist das der Unterschied zwischen einem gesunden Menschen und einem chronisch kranken Menschen. Weil ein gesunder Mensch wird morgens wach mit sowas ähnlichem wie einem unerschöpflichen Energiereservoir. Also mit sehr, sehr vielen [00:06:00] Löffeln oder unendlich vielen Löffeln.
Selène: Und diese Person, die gesund ist, die muss sich keine Gedanken darüber machen, für welche Kleinigkeiten sie am Tag alles Löffel ausgibt. Und die Löffel, die, die, die sind, also Sachen kosten nicht so viele Löffel, wenn man gesund ist. Morgens duschen gehen, wenn man, wenn man gesund ist, ist nicht anstrengend.
Selène: Also, schon ein bisschen anstrengend, aber nicht, nicht übermäßig anstrengend. Es ist ein
Max: anderes Anstrengen, also natürlich ist jeder, der morgens aufsteht, müde.
Selène: Genau. Ja, aber es ist was
Max: anderes.
Selène: Um, und ich hab das letztens, deswegen wollte ich das nochmal irgendwie aufnehmen, ich hab das letztens mit, mit dir, Max, so lustig durchgesprochen.
Selène: Um, weil ich versucht hab zu erklären, warum es mir schwerfällt, nachmittags den Müll rauszubringen. Ja, aber ich glaube, das
Max: war, dass ich dich gefragt hab, warum du die Tasse nicht in die Spülmaschine legst. Die Tasse in die Spülmaschine oder so, du hast sie auf die Arbeitsplatte gestellt und ich stand daneben und hab gesagt, du kannst sie jetzt auch in die Spülmaschine rauben.
Max: Und du hast gesagt, nein, das kostet einen halben Löffel oder irgendwie sowas hast du gesagt. Ja.
Selène: Und dann hab ich, hab ich dir mal erklärt, warum zu Post gehen für [00:07:00] mich so anstrengend ist. Und der, der, die grundlegende Diskussion, die wir hatten, also es war keine Diskussion, das Problem, auf das wir gestoßen sind, war, wenn ich Sachen aus der Küche hole zum Essen, dann stelle ich meine Teller meistens neben meinem Schreibtisch auf den Fußboden oder neben meinem Schreibtisch auf den Schrank.
Selène: Und wenn sich dann ein paar Sachen gestapelt haben, so wie jetzt, jetzt steht da gerade eine leere Dose LRT Drink, eine leere Glasflasche, wobei Wasser drin war, und eine leere Flasche Ingwerschot. Und, um, die müsste ich theoretisch in die Küche bringen. Und ja, möglicherweise hätte ich daran denken können, wenn ich mir Wasser holen gegangen bin, dass ich dann ja auch die Wasserflasche mit rübernehmen kann.
Selène: Aber die Wasserflasche mit rübernehmen und daran denken und was Neues holen und die Wasserflasche dann wegräumen, das ist schon wieder voll viel Aufwand. So, und deswegen, die auf Seite stellen, kostet mich keinen Spoon. Die dann vergessen, auch nicht. Aber daran denken, und die dann wieder mit rübernehmen, ja, und die auf die Arbeitsplatte stellen, ja gut, dann hab ich vielleicht pff, einen halben Spoon ausgegeben, weil ich die [00:08:00] jetzt auf die Arbeitsplatte gestellt hab.
Selène: Aber wenn ich die jetzt spülen müsste, das kostet mich einen Löffel. Und wenn ich die jetzt in die Spülmaschine räumen will, ja, auch. Außerdem ist das eine Flasche, da muss man eigentlich mit so einem Flaschensaubermachtding rein, damit die richtig sauber wird. Und das kostet mich auf jeden Fall einen Löffel.
Selène: Also, voll anstrengend.
Max: Und mich komischerweise nicht. Ich mach das mal neben mir, ich lauf in die Küche, ich pack das mal mit hier rein und dann stell ich das da hin und pack das in die Spülmaschine, wo gut ist.
Selène: Und das ist
Max: so ein Unterschied.
Selène: Das, wo wir uns dann witzigerweise dran aufgehangen haben oder was sich irgendwie so aufgezählt hat, war die Anstrengung, nachmittags einen Brief wegzubringen.
Selène: Weil ich eine Freundin von mir, die ein Stückchen hinter Siegen wohnt, noch was bringen wollte. Und, ähm, gut, ich kann das in Briefumschlag packen, ich kann das gegenüber auf der Straßenseite in den Briefkasten werfen. Aber der wird ja nur dienstags und donnerstags geleert. Und das, was ich hier bringen wollte, war wichtig.
Selène: Also muss ich jetzt eigentlich runter zur Post und das da wegbringen, aber die Post hat nur auf [00:09:00] von bis 15 Uhr oder so ähnlich. Das heißt, wenn ich nachmittags von der Schule komme, kann ich nicht mehr zur Post gehen, weil das zu spät ist. Also kann ich es irgendwie auch nicht zu Post bringen. Also müsste ich es in der Stadt in Siegen zu Post bringen, wo ich zur Schule gehe, aber dafür müsste ich in die Stadt fahren, dafür müsste ich in einem großen Parkhaus parken und dann durch die komplette, durch das komplette Einkaufszentrum laufen und dann runter zur Post und dann da meinen Brief wegbringen, das ist total anstrengend, das kannst du voll vergessen.
Selène: Also wenn ich will, dass der Brief schnell ankommt, dann kann ich das nicht in der Stadt machen, aber ich kann es auch nicht unten bei der Post abgeben. Und wenn ich will, dass er schnell ankommt, kann ich ihn auch nicht gegenüber auf der Straßenseite in den Briefkasten werfen, aber vielleicht bin ich mir gar nicht sicher.
Selène: Wird der Brief jetzt eigentlich da wirklich nur dienstags und donnerstags abgeholt? Und zu welchen Zeiten eigentlich nochmal? Also, am besten ich lauf kurz rüber und guck eben nach. Aber ich hab ja noch gar keine Briefmarker auf dem Brief, also muss ich ja erstmal mich bei der Postseite anmelden.
Selène: Aber wie waren nochmal meine Login-Daten? Moment, ich muss in meiner Handy-App [00:10:00] nachgucken, wie meine Login-Daten für die Postseite waren. Damit ich dann da so ne, so ne komische Stamp ausdrucken kann, ne Briefmarke ausdrucken kann. Weil ich hab ja keine Briefmarken zu Hause. Und jetzt runter zur Post zu gehen…
Selène: Ja, das Problem hatten wir schon. Die Post hat ja zu. Also, wo krieg ich denn dann Briefmarken her? Ja, aus der Stadt, aber da will ich ja auch nicht hin. Also schon wieder zwei oder drei Spoons. Also muss ich Briefmarken ausdrucken. Ja, gut. Also muss ich am Handy mein Passwort nachgucken, damit ich mich dann einloggen kann, damit ich dann die Briefmarke ausdrucken kann.
Selène: Jetzt hat mein Drucker keine Tinte mehr.
Max: Natürlich.
Selène: Natürlich, der Drucker hat immer dann keine Tinte, wenn man die gerade braucht. Und mein Drucker ist auch schon ein kleines bisschen älter. Tintenpatronen aus China und da muss man so ein Stückchen Plastik abkratzen, damit die funktionieren und manchmal mag mein Drucker die nicht mehr lesen und dann meckert der rum, obwohl eigentlich noch Tinte drin ist und dann muss ich mit meinem Drucker diskutieren und das ist echt anstrengend, weil mit Technik diskutiert sich nicht gut.
Selène: Also, jetzt ist meine Druckertinte leer. Zumindest sagt der Drucker das, aber eigentlich ist noch welche drin. Jetzt muss ich irgendwie rausfinden, [00:11:00] warum mein Drucker ein Problem mit meiner Tintenpatrone hat, aber ich soll einfach eigentlich nur Post wegbringen, oder? Okay, dass ich mein Passwort in der App gefunden habe, mich in der Seite angemeldet habe, die Druckerpatrone getauscht habe, das ist alles für mich schon total anstrengend gewesen und irgendwie viel nerviger, als ich eigentlich erwartet hätte, dass es das sein wird, wenn ich sage, ich will die Briefmarke ausdrucken.
Selène: Nervig. Also, vielleicht haben wir es bis hierhin geschafft. Bis zu der Briefmarke. Vielleicht auch nicht, meistens nicht, weil wenn ich mittags nach Hause komme von der Schule, dann habe ich ja meine ganzen Löffel schon dafür ausgegeben, mich morgens fertig zu machen, zur Schule zu fahren und im Unterricht anwesend zu sein und ein paar Stunden lang mitzumachen, dass meine Löffel ausgegangen sind und ich quasi da gesessen habe und das Muster der Raubfasertapete auswendig lernen wollte.
Selène: Ja, also kam ich nach Hause und ich hab, hab keine Löffel mehr. Also,
was
Selène: mach ich dann? Weil ich hab, ich hab jetzt keine Energie mehr, um, um die Sache mit der Briefmarke zu regeln, weil mein Drucker einfach ein Arschloch ist und ich [00:12:00] hab, ich hab die Energie nicht. Mit der Briefpiste
Max: dann einfach zu ihr gefahren?
Selène: Wenn ich die Energie hab und ich krieg das ausgedruckt, dann muss ich ja nur mal kurz über die Straße gehen, aber ich hab ja keine Klamotten an dafür, also ich muss jetzt Schuhe anziehen. Und ich muss eigentlich eine andere Hose und vielleicht ein T-Shirt oder zumindest irgendwie Klamotten halt, ne, ne Jacke, ich brauch ne Jacke.
Selène: Gut, wo ist mein Haustürschlüssel? Hab ich den schon wieder irgendwo anders hingelegt? Weil eigentlich hängt der am Schlüsselbrett, aber da hängt der nicht. In welcher Jackentasche ist mein Haustürschlüssel? Liegt der noch auf dem Schreibtisch? Muss ich jetzt ernsthaft noch meinen Schlüssel suchen?
Selène: Boah, voll anstrengend. Jetzt hab ich meinen Schlüssel irgendwie gefunden. Jetzt hab ich einen Brief in der Hand. Da klebt eine Briefmarke drauf. Wir haben es bis hierhin geschafft. Ja, jetzt geh ich raus. Jetzt ist das Ding… dass mein Gehirn einfach blöd ist bei manchen Sachen, weil ich muss quasi entweder so eine kleine Kurve um den Spielplatz drum rum laufen zum Briefkasten oder ich laufe über den Spielplatz drüber.
Selène: Dafür muss ich aber so ein kleines Tor aufmachen. Und die Menge an Weg, die ich mehr laufe, wenn ich um den Spielplatz drum rum gehe, die kostet [00:13:00] mich genauso viel Energie, wie das Tor aufzumachen und hin und her zu laufen. Also mache ich jetzt das Tor auf oder gehe ich jetzt außen rum? Das ist ja eine Entscheidung, die ich irgendwie treffen muss.
Selène: Aber ich will keine Entscheidungen mehr treffen, weil Entscheidungen sind anstrengend. Und ich will nicht mehr Anstrengung. Ich bin echt müde, okay? Ich will jetzt nicht überlegen, ob ich über den Spielplatz gehe oder außenrum. Und ich weiß, es ist total egal. Aber ich kann ja nicht einfach davor stehen bleiben und gar nichts machen.
Selène: Irgendeine Entscheidung muss ich treffen. Und die Entscheidung ist anstrengend. Also wie treffe ich jetzt meine Entscheidung? Sind da Kinder auf dem Spielplatz? Störe ich die beim Spielen, wenn ich über den Spielplatz laufe? Muss ich über die Sandbox klettern, wenn ich gerade über den Spielplatz laufen will?
Selène: Habe ich die richtigen Schuhe dafür und kommt dabei Sand in meine Schuhe? Ist der Spielplatz gerade matschig, werden dann meine Schuhe schmutzig? Haben wir Herbst, haben wir Winter? Ist es da gefroren, ist es gekehrt? Ist es außenrum gekehrt?
Hm.
Selène: Wie viel von der Straße ist Eis und wo ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass ich mich aufs Maul lege, weil ich ausrutsche?
Selène: Okay, jetzt muss ich irgendeine Entscheidung treffen und ich stehe hier wie ein Idiot und starre auf das Tor. Vom Spielplatz. Die ganzen Leute, die in [00:14:00] ihren Häusern sitzen, können jetzt aus dem Fenster gucken, sehen die mich? Steht sonst irgendjemand dumm vor dem Tor, vorm Spielplatz und überlegt sich, ob er außenrum gehen soll oder durch, weil eigentlich macht man das nicht.
Selène: Also muss ich jetzt irgendwas machen und die anderen sehen mich und ich stelle mich schon wieder blöd an. Das ist eigentlich mega unangenehm. Warum habe ich überhaupt das Haus verlassen? Jetzt gehe ich rüber und stehe vor dem Briefkasten. Vielleicht habe ich mich entschieden, über den Spielplatz zu gehen, weil meine Schuhe sind dafür geeignet und er ist nicht so zugefroren und ich habe herausgefunden, dass der Bogen, den ich um den Sandkasten gehen muss, nicht so wahnsinnig groß ist.
Selène: Also gehe ich einfach über den Spielplatz. Voll anstrengend. Jetzt stehe ich vor dem blöden Briefdingsbums und da steht drauf, ja, Tatsache. Also, wenn ich will, dass der Brief rechtzeitig ankommt, dann muss ich ihn jetzt wieder mit nach Hause nehmen und doch zu Post fahren, aber die Post hat zu und in die Stadt will ich jetzt nicht mehr und ich hab meine ganze Energie gerade dafür ausgegeben.
Selène: zu dem [00:15:00] Briefkasten zu gehen und festzustellen, dass ich ihn da nicht reinschmeißen kann, weil er dann zu spät ankommt. Also muss ich jetzt wieder zurück und ich habe eigentlich nur Energie verschwendet, um den Briefkasten dann zu Hause auf eine Ablage zu legen. Und jetzt muss ich mir was Neues einfallen lassen.
Selène: Aber wir haben von mir aus Freitag, ja? Der Brief soll eigentlich so schnell wie möglich ankommen. Dienstags und Donnerstags ist die Lehrung, das ist keine Option. Jetzt ist es… Vielleicht eine Möglichkeit, Samstag morgens zur Post runterzufahren, aber dann ist er ja auch erst Samstag mittags abgeschickt und dann kommt er vielleicht erst Montag oder Dienstag an.
Selène: Ja, ist eigentlich auch kacke. Ja, was mach ich denn dann jetzt? Und zu Post fahren ist auch total nervig. Und die Leute in der Post sind immer so anstrengend. Und mit den Smalltalk halten nervt. Und eigentlich will ich da auch gar nicht parken müssen, weil die Parkplätze vor der Post immer voll sind.
Selène: Und dann muss ich bei dem Blumenladen parken und über die Straße und zu Post rein. Und ich mag die Leute da gar nicht. Das ist mega doof. Und was ist, wenn ich da Leute treffe, die ich kenne? Muss ich dann mit den Smalltalk halten? Und eigentlich muss ich auch noch einkaufen. Mach ich das auf dem Weg zur Post oder nicht?
Selène: [00:16:00] Mann, ich glaub wir haben noch Tiefkühlgemüse im Tiefkühlfach, vielleicht gehe ich auch einfach nicht einkaufen. Und was mache ich jetzt mit dem Brief? Ja, das Fazit meiner Briefgeschichte ist, ich bin zu besagter Freundin nach Hause gefahren und hab den Brief persönlich weggebracht. Weil das war am wenigsten anstrengend.
Selène: Nach allen Kalkulationen war das am wenigsten anstrengend. 30 Minuten in ein anderes Dorf zu fahren und den Brief einfach persönlich wegzubringen. Weil erstens, dann ist er pünktlich. Zweitens, ich muss mit möglichst wenig Menschen interagieren, bis ich da angekommen bin. Drittens, ich muss mich an keine Lieferzeiten von irgendwelcher Post halten und abgesehen davon…
Selène: kann ich bei ihr einen Kaffee trinken und fünf Minuten durchatmen.
Max: Und sie hat dir einen Spoon zurückgegeben.
Selène: Also bin ich einfach, einfach zu ihr gefahren. Und das war jetzt auch schon ziemlich anstrengend, weil man muss 30 Minuten hinfahren und dafür muss ich mich ja auch anziehen und so und Sachen einpacken und den Brief nicht vergessen und meinen Schlüssel suchen.[00:17:00]
Selène: Und dann rüberfahren und dann da parken und… Dann bin ich bei ihr und dann, dann, dann socializen, aber Freunde sind beim Socializen nicht so anstrengend wie fremde Menschen auf der Straße oder Menschen, die bei der Post angestellt sind, also das war’s, war’s irgendwie wert und ich mag ja auch meine Freunde, also für die gebe ich ja auch gerne Energie aus.
Selène: Ich weiß, es kostet mich trotzdem Energie, aber ich gebe ja gerne meine Energie für meine Freunde her, weil ich die lieb hab, die verdienen das. Aber die Frau bei der Post… Ja, da hab ich irgendwie nicht viel von. Weiß ich nicht. Also, ja, ich bin 30 Minuten ins Nixodorf zu fahren, um einen Brief wegzubringen, weil ich nicht wusste, wie ich ihn ansonsten am einfachsten da hinkriege, weil all diese Dinge einfach unglaublich anstrengend sind.
Selène: Das Fazit dessen ist, dass ich jetzt immer Max frage, ob er meine Briefmarken ausdrücken kann. Weil, wie anstrengend findest du es, dich bei der Post anzumelden und eine Briefmarke auszudrücken?
Max: Ähm, gar nicht. Ich sei denn, der Drucker hat keine [00:18:00] Tinte. Aber ansonsten, das Passwort ist in meinem Browser gespeichert.
Max: Ich, ähm, entsperre das mit meinem Fingerabdruck und ich drücke auf Drucken. Und das ist nicht so schlimm. Und ich mach das. Aber wieso
Selène: weißt du die Adresse? Ich muss sogar die Adresse in meinem Google Maps nachgucken. Weil ich kann mir die doch nicht merken. Die fallen in meinem Gehirn immer hinten vom Regal runter.
Selène: Und dann muss ich die wieder aufheben. Wahrscheinlich, weil
Max: ich mit meinem kleinen, komisch, kaotisch sortierten Gehirn Dinge mit Zahlen und Fakten irgendwie super gerne hab. Jetzt hast du mich neulich gefragt, als ich mir die Jahreszeiten gemerkt hab, wann der griechisch-römische Kalender eingeführt worden ist.
Max: Hm. Gibt es, gibt es in der Theorie die, die Idee, dass Aktivitäten über den Tag quasi Spoons zurückgeben können, wenn man also irgendwas macht, was relaxing ist oder, oder schön oder aufmerksam oder so, oder ist das so ein, so ein finites Ding? Das steht
Selène: in der Theorie so richtig nicht drin, aber hier stehen so ein paar Hinweise.
Selène: In der Theorie, die sie geschrieben hat, steht ja zum Beispiel drin, wenn sie sich abends Abendessen machen will, dann kostet sie das einen Spoon. So, Abendessen ist aber eigentlich so eine Art von Selfcare. Du musst ja [00:19:00] irgendwie, du musst ja für dich sorgen. Ja. Also machst du dir Abendessen. Aber das kostet einen Löffel.
Selène: Und nur weil du was gegessen hast, bekommst du keinen Löffel zurück.
Max: Nee, das nicht. So, also eigentlich… Aber ich meine sowas wie, wenn man nach Hause kommt, hat man einen stressigen Arbeitstag und dann legt man sich mal so zwei Stunden auf die Couch, macht man nichts. Und dass man dann ein bisschen mehr durchatmen kann und dann vielleicht nochmal was anderes anfangen kann.
Selène: Ich weiß nicht, du müsstest die nette Christine von ihrer Website anschreiben. Die hat, glaube ich, sogar eben eine E-Mail angegeben und das rausfinden. Für mich persönlich nicht. Okay. Ich hab das Gefühl, dass man keine Spoons zurückkriegt über den Tag. Wenn ich die ausgegeben habe, dann sind die weg und ich kann halt dann einfach nicht mehr viel machen.
Selène: So, und manchmal sind das so, so banale Sachen. Wenn ich zum Beispiel Selfcare machen will, in dem Sinne. Um, eigentlich ist Taekwondo Selfcare. Es ist ein guter Ausgleich für einen stressigen Tag, zum Sport zu gehen. Aber es kostet mich auch sehr viel Energie, das Haus zu verlassen und zum Sport zu gehen und mich dafür aufzuraffen, das ist total anstrengend.
Selène: Und es sind ja nicht nur die
Max: anderthalb Stunden Training, die wir machen, sondern auch Hinfahrt, Zurückfahren, mit Leuten reden, kurz mit denen quatschen, wie war denn der je [00:20:00] Tag.
Selène: Genau. Und
Max: lauter so ein Kram. Das
Selène: heißt, nur mal eben kurz zum Sportfahren beinhaltet halt relativ viel Interaktion zwischen Menschen und alles andere.
Selène: Und ich finde das super anstrengend. Ich meine, ich jetzt einen Abend habe ich so dir gesagt, ich, ich kann heute Abend einfach nicht mit, ich will nicht mehr und bin halt nicht mitgefahren, weil ich einfach für diesen Abend mal einen Löffel für was anderes haben wollte. Und es ist anstrengend, dass ich jedes Mal entscheiden muss, will ich heute Abend noch was für die Uni machen oder will ich zum Sport gehen, weil eigentlich muss ich was für die Uni machen.
Selène: Aber zum Sport gehen ist gut für meine Gesundheit und ist mir wichtig, für meine, meine Werte, für mich, mir ist das wichtig, zum Sport zu gehen. So, und eigentlich möchte ich den Sport auch ernst nehmen. Ich mache Taekwondo und ich mache Taekwondo nicht, um da mal eben eine Woche ein bisschen rumzuhüpfen, sondern ich mache Taekwondo schon mit der Intention, irgendwann mal Schwarzkopf machen zu können.
Selène: Ja, aber dafür muss ich auch ins Training gehen. Wenn ich immer zu Hause rumsitze, dann kann ich nicht irgendwann mal Schwarzkopf machen. Das funktioniert so nicht. So, das [00:21:00] heißt, ich müsste eigentlich diesen Löffel ausgeben, um zum Sport zu gehen, weil ich weiß, dass es gut für mich ist, auf lange Frist gesehen, und es spielt auch irgendwie meine Ziele mit rein, aber ich muss mich abends entscheiden, welche Ziele mir gerade wichtiger sind.
Selène: Die Ziele mit der Uni oder die Ziele mit dem Sport. Und dann muss ich dafür einen Löffel ausgeben, also nein, ich kriege dadurch keinen Löffel wieder zurück. Oder ich, ich hab. drüben Zeug, was ich in meine Haare machen will abends, so Haarmaske, Haircare-Stuff mäßig. Aber das in meine Haare zu machen, kostet mich einen Löffel und ich habe es, seit es da steht, nicht beschafft, Haircare zu betreiben, weil das kostet mich einen Löffel, das in meine Haare zu machen.
Selène: Das ist voll anstrengend.
Max: Das Gefühl habe ich nämlich, dass wenn ich irgendwas mache, gerade wenn ich Sachen mache, wo ich schnell Ergebnisse sehe, die irgendwie… Sichtbar sind, also hier um mich herum aufgeräumt habe oder heute in den Nachmittag habe ich eine LED-Leiste in unserer Küche installiert, weil es so was war, was man sehen kann, abgesehen davon leuchtet es, und das ist toll.
Max: Und wenn mich Sachen gestresst haben, und ich mache [00:22:00] Sachen, die Dopamin ausschütten, weil das so das Gefühl gibt von, oh, ich habe was abgearbeitet, dann fällt es mir leichter, andere Sachen mit irgendwie ein bisschen näher anzumachen. Also, manchmal mache ich das total bewusst. Im Sommer habe ich immer Rasen gemäht, wenn sowas war.
Max: Rasenmähen ist toll, man sieht, was man gemacht hat. Und jetzt im Winter habe ich immer Schnee geschaufelt, weil das ist das gleiche Prinzip.
Selène: Ich habe zum Beispiel eher manchmal das Gefühl, dass meine eigenen Gedanken mich dann Löffel kosten, wenn ich halt eine Entscheidung nicht treffen kann. Das ist so super anstrengend.
Selène: Ich habe, ich habe eine Liste mit ganz vielen Sachen, die ich machen will. Und ich weiß, ein paar von denen haben Priorität. Zum Beispiel wollte ich mich heute eigentlich um mein Instagram kümmern. Das steht auf meiner Prioritätenliste recht weit oben. Uni und Ausbildung steht aber darüber. So, weil die Sachen haben halt, die sind immer wichtiger.
Selène: Jetzt habe ich aber Unisachen schon gemacht. Für Ausbildungssachen habe ich absolut keine Energie mehr. Das heißt, ich kann nicht mehr Uni- und Ausbildungssachen machen. Ich könnte noch ein bisschen Instagram machen. [00:23:00] Aber will ich dafür jetzt meine letzten Löffel ausgeben? Oder will ich die für Patreon ausgeben?
Selène: Oder will ich vielleicht… Was malen, oder will ich noch was lesen, weil das kostet ja Löffel, oder will ich meinen Schreibtisch aufräumen, weil das kostet Löffel. Und das ist ziemlich anstrengend, dann eine Entscheidung zu treffen, was jetzt irgendwie so wichtig ist, dass ich meinen letzten Löffel dafür ausgeben möchte.
Selène: Aber dieses Rumsitzen und keine Entscheidung treffen können, das kostet mich halt Zeit. Ja. Und auch irgendwie Energie. Weil ich muss ja jetzt abwägen, was wichtiger ist, und dafür muss ich, muss ich so viel nachdenken über verschiedene nervige Faktoren. Wie viel Energie habe ich wirklich? Ich zähle 20 mal meinen Löffel.
Selène: Ich überlege, wie viel mich das kostet, wenn ich dieses oder jenes tue. Meinst du nicht, ich kann tatsächlich nicht noch ein Kapitel von Unisachen lesen? Oder so wenigstens ein bisschen, aber eigentlich ist es leer. Und was mache ich denn jetzt? Und das ist, weiß ich nicht, dieses darüber [00:24:00] nachdenken.
Selène: ist halt schon voll anstrengend, weil ich einfach diese Entscheidung gar nicht treffen will. Und es wäre so viel einfacher. Und da gibt
Max: es mit den Löffeln auch so ein bisschen, wie man das in der BWL hat, so das, die Kosten des Nichthandelns. Ja,
Selène: ja, genau. Und wenn du deinen
Max: Status Quo beibehältst, ist das manchmal anstrengender, also Status Quo im Sinne von Nichtentscheiden, ist es dann manchmal anstrengender, als wenn man einfach sagt, so ich mach jetzt das.
Selène: Ja.
Selène: Aber wenn ich sage, ich mach jetzt das, und dann mach ich das und dann sind meine Löffel ganz leer, Und dann ruft heute Abend noch jemand an und sagt, mein Haus brennt und ich brauch dich sofort. Dann kann ich nicht mehr hinfahren. Also ich kann, ich kann vielleicht noch hinfahren, aber ich wüsste halt auch echt nichts mit mir anzufangen, wenn ich dann da bin.
Selène: Keine Ahnung.
Max: Ich seh dich gerade in meinem Kopf mit so einem Glas Wasser vor so einem Hausbrand stehen.
Selène: Ja, ja, da seh ich mich. Oder so heute Abend zum Beispiel gehen wir noch zu deinen Eltern zum Abendessen. Hm. Und das macht Spaß, ich mag deine Eltern, ich mag Abendessen bei denen, aber es kostet mich auch einen Löffel, darauf zu gehen.
Selène: Wenn ich jetzt meine [00:25:00] Social-Media-Sachen mache, dann sitze ich heute Abend apathisch am Tisch, stochern mein Essen rum und hoffe, dass mich keiner irgendwas fragt.
Mhm.
Selène: Ich will aber nicht apathisch am Tisch rumsitzen und hoffen, dass mich keiner was fragt. Ja. Ich würde mich gerne am Gespräch beteiligen.
Max: Ich mein, das fühlt man sich wie in der Schule, wenn man keine Hausaufgaben gemacht hat und dann, äh, hofft, dass einen keiner anspricht und dass das, was angesprochen ist, auch keine Frage war. Genau, und
Selène: daran merkt man aber den Unterschied zum Beispiel, dass, ich, ich würde meinen, das ist nicht böse gegen dich, ich weiß, du hast auch deine Macken, aber für dich ist das keine extra, kein, kein, kein Stress, wenn du sagst, ja, ich treffe jetzt eine Entscheidung, ich mach jetzt Uni-Sachen.
Selène: Ja, dann weißt du aber, dass du heute Abend immer noch Energie hast, um dich ganz normal mit Leuten zu unterhalten auf irgendeiner Feier oder beim Abendessen.
Max: Ja, und zur Not ist die Devise immer kein Problem, dass zwei Kaffee nicht lösen könnten. Ja, aber ich hab das halt nicht. Und
Selène: wenn ich jetzt meine ganzen Löffel ausgebe für Instagram, dann kann ich heute Abend keine richtigen Gespräche mehr führen.
Selène: Also muss ich mir das gut überlegen. Und du musst dir das nicht gut überlegen. Das gut [00:26:00] überlegen kostet mich aber auch Energie, weil das anstrengend ist, da jedes Mal drüber nachdenken zu müssen. Und jedes Mal das Gefühl zu haben, dass irgendwas auf der Strecke bleibt oder dass man irgendwas verpasst oder dass man schon wieder in irgendwas versagt hat.
Selène: Und das hast du halt gar nicht so krass.
Max: Ich hab das so ein bisschen im Kopf, ich hab das mal als Meme gesehen. Da waren solche, diese Schieberegler, wie sie in den Mac OS und iOS Einstellungen früher waren. Die man so auf und zu machen konnte. Und da waren so verschiedene Sachen. Ich glaube das war das mit, ähm…
Max: Ich glaube, es war Zeit, Geld und Energie oder so. Naja, man konnte aber nicht
Selène: alle drei gleichzeitig anmachen. Man konnte
Max: immer nur zwei. Je nachdem, welchen man auf eins, äh, welchen anderen man auf eins geschoben hat, ist dann immer wieder einer weggegangen. Und, ähm, wenn man jetzt diese Liste fortführt, mit irgendwie 20 verschiedenen potenziellen Sachen, die am Tag gemacht werden müssen, von, von Haushalt bis Uni, Ausbildung, was auch immer.
Max: Und wenn du versuchst, die am Anfang des Tages alle anzuklicken, dann ballern immer wieder welche raus, je nachdem, wie gewichtig sie sind. Und so stelle ich mir dann dein Gehirn irgendwie vor, und sobald du versuchst, die Register überall [00:27:00] anzuziehen, gehen die halt alle weg.
Selène: Ja. Und
Max: dann, um, dann ist halt leer.
Selène: Ja.
Max: So als würde dich dein Gehirn so ein bisschen dafür bestrafen, wenn du versuchst, alles auf einmal zu machen.
Selène: Ja, oder wenn, wenn ich morgens zur Schule fahre. Ich weiß, ich komme immer zu spät, und je höher mein Stresspiegel ist, desto länger… bleib ich morgens noch liegen und muss darüber nachdenken, wie ich meinen Tag strukturieren kann.
Selène: Und das ist super nervig, weil je stressiger mein Alltag wird, desto weniger Löffel hab ich morgens. Und desto besser muss ich sie mir einteilen. Das heißt, ich werd morgens wach, ich guck auf die Uhr und ich weiß, ich muss in einer Stunde zur Schule. Aber das kostet mich mega viel Energie, zur Schule zu gehen.
Selène: Und ich hab eigentlich auch noch Unisachen zu tun. Und ich will auch eigentlich später zum Sport. Und ich würd mich eigentlich gern um mein Social Media kümmern. Und ich müsste auch eigentlich echt dringend mal meinen Schreibtisch aufräumen. Und eigentlich habe ich ja noch zwei, drei andere Projekte, die ich fertig kriegen will.
Selène: Und ich wollte noch die Freundin anrufen und meiner Mom schreiben und die Nachrichten in meinem E-Mail-Fach beantworten. Und ich muss eigentlich auch noch zwei, drei Sachen für Weihnachten bei Amazon bestellen und auf dem Amt anrufen oder beim BAföG anrufen oder was auch immer. [00:28:00] Aber wenn ich jetzt zur Schule gehe, wenn ich dann wiederkomme, habe ich gar keine Kraft mehr, irgendwas anderes davon zu machen.
Selène: Bleibe ich jetzt hier und mache die anderen Sachen oder fahre ich jetzt zur Schule? Oder kann ich mir das beurteilen? Das würdest
Max: du in den zehn Sekunden nach dem Aufwachen versuchen alle diese Schieberegler auf 1 zu stellen und dann bleiben nicht mehr so viele.
Selène: Ja und das ist irgendwie ziemlich nervig und ziemlich anstrengend und das ist, das ist Spoon Theory.
Selène: Und ich habe, wo ich letztens mit meinen Klassenkameraden über ADHS gesprochen habe, habe ich denen gesagt, das fühlt sich für mich immer nicht so an. Als dürfte ich meinen Tag strukturieren, sondern halt mein Gehirn macht das für mich. Ich habe aber nicht so viel Entscheidungsmacht da drin. Also ich habe halt einfach ein paar Löffel und dann kann ich rumlaufen und kann die für irgendwelche Sachen verschleudern.
Selène: Ja, aber wenn die leer sind, sind die leer. Mein Gehirn bestimmt halt einfach, wann die leer sind. Und ich kann einfach nicht alles machen.
Max: Mhm.
Selène: Geht nicht. Und das finde ich total [00:29:00] anstrengend, so. Und grundlegend ist das halt Spoon Theory, die Theorie, dass eben Menschen mit Behinderung, chronischen Krankheiten, psychischen Krankheiten, irgendwas anderes, eben einfach weniger Löffel haben und die gut einteilen müssen.
Selène: Und dass manchmal kleine Aufgaben auch einfach mehr Löffel kosten. So, du wirst morgens wach und du hast unglaublich viele Löffel und deine Aufgaben kosten fast gar nichts.
Max: Ja, nicht alle. Also ganz so makellos ist es nicht und ganz so schön ist es auch nicht. Ich glaube
Selène: auch nicht, die, die, ähm, Christine hat das so schön dargestellt, dass Menschen, die gesund sind, ähm, in einem Text steht, äh, dadadada, ich muss ein bisschen runterscrollen, ähm,
Selène: wo haben wir es?
Selène: Ich finde es nicht. Aber in dem Text steht drin, dass quasi junge Menschen morgens aufstehen. Und, [00:30:00] hier, um, Gesunde Menschen haben diesen Luxus, dass sie ein Leben ohne diese Entscheidungen machen müssen, leben können und, dass junge Menschen morgens aufstehen und die haben unendlich Energieressourcen und müssen sich keine Gedanken darüber machen.
Selène: Most people start the day with unlimited amount of possibilities and energy to do whatever they desire, especially young people. Und damit sagt sie quasi, die meisten Menschen starten den Tag mit einer unbegrenzten Anzahl an Möglichkeiten und Energie, um zu tun, was auch immer sie machen wollen, ganz besonders junge Menschen haben das.
Selène: Ich würde jetzt nicht unbedingt unterschreiben, dass alle gesunden Menschen morgens aufstehen und alles machen können. Aber aus ihrer
Max: Perspektive.
Selène: Ganz genau.
Max: Ja. Und das ist ja, das ist ja okay.
Selène: Ich finde das total bewundernswert, dass dein Schreibtisch immer aufgeräumt ist.
Max: Ich finde das grauenhaft, wenn da Sachen liegen.
Max: Ja, ich finde das auch
Selène: grauenhaft, wenn auf meinem Schreibtisch Sachen liegen, okay? Ich mag [00:31:00] das auch nicht. Ich habe das Gefühl, wenn ein Schreibtisch unordentlich ist, ist mein Gehirn unordentlich. Aber es kostet mich sehr viel Kraft, den aufzuräumen. Und die Kraft, die es mich kostet, den aufzuräumen, weißt du?
Selène: Es ist sehr anstrengend, auf einem unaufgeräumten Schreibtisch zu arbeiten. Aber wenn mich das Arbeiten an einem unordentlichen Schreibtisch einen Spoon kostet und das Aufräumen drei, dann nehme ich halt lieber den unordentlichen Schreibtisch. Wenn der so unordentlich ist, dass ich nicht mehr dran arbeiten kann, oder dass es mich mehr Spoons kostet, an einem unaufgeräumten Schreibtisch zu arbeiten, als es mich Spoons kosten würde, den eben aufzuräumen, dann räume ich ihn halt auf.
Selène: Aber ansonsten… Es ist einfach anstrengend.
Max: Ja, ich finde, ich finde die Theorie insofern schön, weil sie erlaubt, eine vernünftige Kommunikation über irgendwas zu haben, sowas wie, ah, ich raum die Tasse jetzt nicht weg, das kostet mich einen halben Spoon oder so. Wohingegen man sonst immer geneigt ist, sowas zu machen, wie, boah, das ist mir jetzt zu anstrengend.
Max: Und das klingt immer direkt [00:32:00] wie totaler Defeat, so, ja, ich kann jetzt gar nichts mehr, aber… Wenn man so diese, diese Währung dafür hat, so ich hab jetzt einen halben Spoon dafür ausgegeben, das kann man ja, das kann man ja so kleinteilig machen, wie man will. Das ist ja voll egal. Das könnte man
Selène: austauschen.
Selène: Ich kann auch am Anfang vom Tag einfach 10 Erbsen in den Sack tun und jedes Mal, wenn irgendwas ist, schmeiße ich eine Erbse aus meinem Sack und stelle hinterher fest, ja, mein Sack ist leer. Also, du kannst halt dafür nehmen, was du willst. Nur, Löffel sind halt, das ist halt das, was jetzt ein bisschen Bekanntschaft erlangt hat.
Max: Ja, mathematisch gesehen würden wir sagen, wir nehmen eine diskrete Einheit und packen die woanders hin. Ja, und nee, das ist insofern wichtig, weil wenn du das zum Beispiel in den Kontext packst mit einer Flüssigkeit. Ich hab das mal von einem, um, von einem Schaudin gehört, der gesagt hat, du hast ein Gefäß voller Wasser am Tag.
Max: Und jedes Mal, wenn du eine Entscheidung triffst, lässt du so ein bisschen Wasser ab. Und irgendwann ist das natürlich leer, aber wenn du das Wasser irgendwo hinters Wegplätzchen lassen, dann ist es halt, ähm, ist es halt weg und du musst warten, bis du geschlafen hast, bis sich das da wieder auffüllt.
Max: Und, ähm, seine Idee war, [00:33:00] es ging nur so um Entscheidungsfindung, dass wenn du, äh, wenn du dich… In Ruhe begibst, meditierst oder irgendwas Entspannendes machst, dann füllt sich dieses Gefäß auch wieder auf. Und man ist wieder in der Lage, Entscheidungen zu treffen. Das Problem an Wasser ist, dass man es nicht greifen kann.
Max: Wie viel ist eine Handvoll Wasser? Ein Wasser ist eine nicht diskrete Menge. Das heißt so, du kannst nicht sagen, oh ich bring jetzt die Tasse nicht weg, weil das ist eine Handvoll Wasser so. Damit kann ich nichts anfangen. Aber ein halber Löffel, das geht. Und das sind Sachen, die ich zählen kann im Kopf.
Max: Deshalb ist das praktischer.
Selène: Oder ich hab zu dir schonmal öfter gesagt, my social battery is empty. Also mein sozialer Akku ist leer. Oder generell mein Akku ist leer. Das heißt dann halt, wenn ich, ja, wenn ich mein Handy heute viel benutze, dann hab ich… Die ganze Zeit mein Display an, vielleicht läuft Musik, mein Akku geht schneller leer, wenn viele Sachen am Handy aktiv sind.
Selène: Wenn ich damit aber sparsam umgehe, dann hält mein Akku vielleicht sogar zwei Tage, wenn ich damit denn sparsam umgegangen bin. Und wenn ich zu dir irgendwie sage, mein sozialer Akku ist leer, dann meine ich damit, wir haben jetzt so viele soziale Sachen gemacht, da ist nichts mehr. Batterie leer.
Selène: [00:34:00] Geht nicht.
Max: Ja, bitte so. Rot, da nimmst du den Unterhalt zu den Prozenten, dann muss man nicht schneller an eine Induktions-Ladestation hängen. Wir haben angefangen, um das Bett zum Schlafen als Induktions-Ladestation zu bezeichnen, weil das passt irgendwie auf Menschen. Du hast damit angefangen.
Max: Ich find’s großartig.
Selène: Ja, auf jeden Fall wollte ich irgendwie mal Spool Theory erklären und das auf Instagram teilen und dafür dachte ich, es ist ganz clever, das mal zu recherchieren. Eigentlich würde ich so gerne auch auf Instagram mal, mal teilen, wie anstrengend das eigentlich ist, rauszufinden, wie ich diesen blöden Brief wegbringen soll.
Selène: Aber das kann ich halt nicht in so einem 90-Sekunden-Reel erklären, weil das einfach viel zu viele Variablen hat und einfach viel zu anstrengend ist. Und ganz ehrlich, wenn jetzt irgendjemand um die Ecke kommt und mir sagt, denk doch einfach weniger drüber nach. Wie?
Max: Das ist glaube ich auch nicht so einfach.
Max: [00:35:00] Das ist wie wenn du zu jemandem in einer depressiven Episode sagst, lächle doch einfach ein bisschen. Ja, natürlich. Ja,
Selène: das ist so bescheuert. Ich höre das so oft von Leuten. Ja, denk doch einfach ein bisschen weniger darüber nach. Danke für nichts. Schön, wenn in deinem Gehirn nicht den ganzen Tag Hintergrund gebrabbelt ist in meinem schon und ich kann es nicht ausschalten.
Max: Ja, Gedanken sind ja eine unfreiwillige Aktivität, die passieren ja einfach. Ja. Das ist ja so ein bisschen wie… Ja,
Selène: man kann das trainieren und lernen und so weiter, aber… Ach,
Max: in einem gewissen Rahmen.
Selène: Ja, und es ist irgendwie anstrengend, das alles im Zaum zu halten. Manchmal macht es auch einfach, was es will, und es ist einfacher, es einfach laufen zu lassen, als es irgendwo einzusperren.
Und…
Selène: Ich finde es immer richtig gemein, wenn Leute mir sagen, dass ich einfach weniger darüber nachdenken soll, weil ich mich ja ein bisschen verarscht fühle. So als würden die gar nicht verstehen, wie sich das anfühlt, wenn es den ganzen Tag in deinem Kopf einfach laut ist.
Max: Ich stell mir das so ein bisschen vor, als würde man entweder versuchen, irgendwie Gegenstände [00:36:00] zu sortieren oder Welten zu trainieren.
Selène: Ja.
Max: Und wenn du versuchst, Welten zu trainieren, ist das Beste, was du machen kannst, dass du sie einfach spielen lässt und laufen lässt und dann hoffst, dass sie irgendwie unter Umständen das machen, was du möchtest. Plus minus ein bisschen.
Selène: Würde ich so nicht unterschreiben. Du hast aber auch noch nie Welpen trainiert und ich auch nicht.
Selène: Also würde ich da jetzt nicht unbedingt eine Aussage zu treffen. Ich hab das Gefühl, die Leute die mir sagen, dass ich einfach weniger darüber nachdenken soll, die fahren immer Auto. In ihrem Kopf ist immer Auto. Die haben ein Autoradio, das können die Leute leise drehen und dann fahren die halt Auto.
Selène: In meinem Kopf fahre ich in der englischen U-Bahn. Mitten in London.
Mhm.
Selène: Immer. Es ist nicht leise.
Max: Nein.
Selène: Und die anderen sind dann so, ja, dreh halt die Musik leise. Ist doch einfach. Ich sitz in der Kackbahn in London. Alle Menschen reden durcheinander und ich kann die zwar anschreien und sagen seid still, aber dann muss ich [00:37:00] mich vielleicht mit denen prügeln, weil ich unhöflich war und ich will mich nicht mit denen prügeln.
Max: Und vor allen Dingen in der Londoner Opern, wo alle unterschiedliche Sprachen sprechen.
Selène: Ja, irgendjemand spricht Indisch und diskutiert mit seinem Chef am Telefon und ich kann kein Indisch. Ich weiß nicht,
Selène: ich glaub… Unsere Lebensrealitäten sind einfach so unglaublich verschieden, dass solche Metaphern wie die Spoon Theory halt mega hilfreich sind, anderen Leuten diese Lebensrealitäten nahezubringen. Und trotzdem ist es irgendwie so ein bisschen, erleben ist halt wahnsinnig individuell.
Max: Ja, klar.
Max: Das auf jeden Fall.
Selène: Das ist schon krass. Ich weiß noch, dass du mir erzählt hast, dass du für Sachen Spoons wiederkriegst. How you get spoons back, but what you can earn them.
Max: Ja, mit den banalsten Dingen.[00:38:00]
Selène: Das ist so unnötig. Ja, ich hoffe, dass euch das irgendwie die Spoon-Theorie ein bisschen näher gebracht hat.
Max: Oder den Menschen, die mir das erklären müssen.
Selène: Ja, ansonsten, die Website heißt puttyoudontlooksick.com Und es gibt das Paper zu der Spoon Theory auch auf Englisch, Spanisch, Französisch und Hebräisch.
Selène: Um, ja.
Max: Ich traue, alle anderen Sprachen gibt’s
Selène: DeepL. Richtig.
Max: Genau, so viel dazu. Ja,
Selène: so viel dazu.
Okay.

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