3066 ist eine Lebensversicherung für die Zeit des Zweifelns und der ungeraden Wege. In diesem Buch ziehe ich Bilanz aus den Erfahrungen meiner Zwanziger und hinterlasse eine Brotkrümelspur aus interessanten Ideen. Du darfst den Zeilen eines jungen Renegade folgen, wie er versucht herauszufinden, was dieses komische „gute Leben und richtige Arbeit“ ist, von dem alle so reden.
Warum dieser Text? Welcher pathetische selbstverliebte End-Zwanziger schreibt einen autobiographischen Text, während er noch halb grün hinter den Ohren ist? Zum einen ist die Antwort: Ich! Zum andern ist die Antwort: Jemand, der etwas Gewisses verstanden hat und eine Momentaufnahme braucht.
Autobiographische Texte sind nämlich gar nicht für Leser gedacht, sondern für Autoren. Wenn du ganz ehrlich bist, dann ließt du das hier als Entertainment, doch für mich war das Lebenszeit. Beides ist okay, doch kreide mir nichts an, was du nicht auch tun würdest.
Meine Zwanziger waren nicht ganz verschieden von den Zwanzigern der meisten Leute. Sie waren chaotisch, awkward, alkoholverseucht und anderweitig fragwürdig. Doch mithin waren sie auch lehrreich, augenöffenend und perspektiverweiternd. Sie waren einfach da. Ich habe sie ausufernd genutzt, um zu verstehen welche Rolle ich in dieser Spaßveransaltung Leben hier so spielen möchte und was damit so geschehen soll.
Wenn und du also das subtile Gefühl hast in meiner esoterischen Selbstfindungsphase nicht mal eine Statistenrolle übernehmen zu wollen, dann hör gefälligst auf zu lesen. Aber wenn du das tust, dann vergiss bitte nicht deiner besten Freundin von dem allergrößten Scheiß zu erzählen, den du je gefunden hast. Solltest du aber diese Seitenlinien Voyeursrolle im Theaterstück meines Lebens haben wollen, dann ließ einfach weiter. Der Rest ergibt sich.
Setz dich, schnall dich an. Wir tauchen ab …
Es lohnt sich Dinge in chronologischer Form aufzuschreiben, weil es dann einen unausweichlichen roten Faden gibt. Die Linearität der Zeit gibt vor, wann was passiert und somit auch wann was erzählt wird. Die Chronologie in diesem Text ist die meiner Erlebnisse mit ein bisschen Spielraum hier und da.
Gleichzeitig zwingt sie zur Ehrlichkeit, da es keine Lücken im Zeitstrahl geben soll. Was geschah denn in jener Nacht? Wer war dort und damals dabei? Kann ich das noch erzählen?
Erkenntnis erfolgt nur aus Ehrlichkeit den vermeitlichen Fehlern gegenüber. Damit meine ich nicht das Bereuen von irgendetwas, sondern vielmehr das Gefühl von Lernerfahrung, welches wir solchen Momenten geben.
In der Zeit in der diese Texte spielen gab es keinen Moment, den ich hätte auslassen wollen, wohlaber genug solcherart, dass ich nachher genau wusste, was ich nie wieder tun wollte.
Die Sterbebettfrage mit dem “würdest du alles wieder genauso machen” kann ich also eins zu null für mich entscheiden, denn das war es alles wert. Meine Erfahrungen von heute wären nur halb so gehaltvoll, ohne all die Momente bisher.
Und ja, das ist die gleiche Leier wie sonst auch. Jeder erzählt das. Das wird wahrscheinlich daran liegen, dass man keine andere Wahl hat. Du kannst dieses Leben nicht zweimal leben und in Retrospektive kannst du auch nur vielleicht bei ein bis zwei Entscheidungen die “What-If” Frage vernünfitg beantworten, danach werden die Varianten einfach zu ungewiss. Du hast nur diese eine Chance für dieses eine Leben. Wenn du sie nicht nutzt ist das dein Problem. Wie sie ausgeht, das bestimmst du. Im Angesicht von Endlichkeit, von Vergänglichkeit, was tust du dann? Du lebst es in vollen Zügen. Deine einzige Hoffnung ist es, von einem Augenblick zum nächsten zu leben und dabei nicht die Nerven zu verlieren.
Um diese Reihenfolge von Gedanken geht es hier. Nicht um Memento Mori oder Amor Fati, sondern um das Glas Bier dazwischen, um das Lächeln im Regen und um die nagende und freudestrahlende Gewissheit, dass jeder Moment einzigartig ist.
Auf dem Weg zwischen Schulabgang und Rentenantrag kommen wir in die ein oder andere Verlegenheit mal in die Arbeitswelt zu stolpern. Etwas mehr als eine Dekade wird man in der Schule auf diesen magischen Moment vorbereitet (oder eben nicht), in welchem man zum ersten Mal einem echten Personalsachbearbeiter gegenüber sitzt, der den eigenen Lebenslauf seziert.
Als ich etwa in der zehnten oder elften Klasse war und wir das obligatorische Bewerbungstraining gemacht haben, da fiel mir eine Sache auf. All die Trainer und Dozenten redeten von polierten Lebensläufen, von Flokseln und Kategorien, von “teamfähig” und “kreativ und flexibel” und sondergleichen. Doch niemand konnte die Frage beantworten, warum man das machte. Warum polierte man denn seine Lebensläufe eigentlich auf? War es nicht viel interessanter dort Lücken oder Brücken zu sehen? All die Zeiten zwischen Prakitka und Weltreise.
Ihre Argumente von “Wenn du so etwas machst, dann legt der Personaler das direkt zur Seite”, haben mich nicht überzeugen können. In der Weiterführung dieser These sah es für mich so aus, als würde ich meinen Lebenslauf, den ich ja während des Lebens ablief, nur für einen hypothetischen Personaler gestalten. Bloß keine Lücken. Warum denn nicht? Naja, könnte ja jemand als Auschlusskriterium sehen. In meiner Wahrnehmung war das gelinde gesagt Bullshit. Niemand hatte mitzureden, wie ich mein Leben gestalten wollte, am wenigsten eine Instanz, die nur als hypothetisches Konstrukt in meinem Kopf existierte. Sollte er mich doch fragen, was dort passiert war. Mit Sicherheit war mein Curriculum Vitae interssanter aus, als seins.
Doch über kurz oder lang bin ich dann trotz des “auf-den-Lebenslauf-scheißens” mal in die Arbeitswelt reingekommen. Bürojob, verhältnismäßig okay bezahlt und so gut oder schlecht wie jeder ander Job eines Sesselfurzers. Meine Drug of Choice war das Grafikdesign und ich fand auch einige Monate gefallen daran. Doch nach einem Vierteljahr meiner Ausbildung hatte ich irgendwie schon fast alles gelernt, was ich dort zum täglichen Erbringen meiner Daseinsberechtigung als Arbeitnehmer brauchte und fühlte mich milde gesagt ausgenutzt. Als Auszubildender war ich billig, das war mir klar, doch mit der Zeit bemerkte ich mehr Dinge an dieser Welt: Sie war hohl.
Aus einem mir (immer noch) nicht ersichtlichen Grund sind Bürojobs aufgebaut wie Industriejobs. Mit Zeiterfassung, Gleitzeit und 8-Stunden Tagen. Mehr als einmal kam es vor, dass Tage einfach schon mittags abgearbeitet waren und ich alles gemacht hatte. Viel schlimmer noch: Weil ich ja wusste, dass ich vor 17 Uhr nirgendwo rauskam machte es auch nicht großartig Sinn, sich irgendwie abzuhetzen. So wie ein Gas den zur Verfügung stehenden Raum füllt, so füllt man in Bürojobs oft die nutzbare Zeit mit Arbeit, ob es eben Sinn ergibt, oder nicht.
Dies hatte zur Folge, dass wir dort auch häufig Dinge gemacht haben, die man eben machen konnte, wenn man zu viel Zeit hat. Entweder weil es ging, oder weil wir uns beschäftigen mussten. Photoshoppen als Zeitvertreib und um Geld zu verdienen. Mehr oder weniger. Es gab so viel in dieser Bürowelt, das nur exisiterte weil man eben gemeinsam Dritteltage dort verbrachte. All die sozialen Mechanismen, der inhärente und latente Chef-Hass und auch das konstante Warten auf Freitag waren nur die Oberfläche. Tiefer lauerte, so dämmerte mir irgendwann, eine gesellschaftliche Sache:
Es ist denkbar einfach: Wenn Menschen nicht das Gefühl haben, dass sie für irgendeine Sache etwas dazu tun können, dann werden sie verrückt. Viele Menschen mit Depressionen leiden an einem Gefühl von Nutzlosigkeit. Die gesamtgesellschaftliche Lösung ist also eine perfide Art von Beschäftigung. Zerlegt in seine Bestandteile ist das Regierungsziel “Vollbeschäftigung” viel näher dran an “Beschäfitugnstherapie” als an “Beitrag zur Gesellschaft”. Eine solche Sache früh im Berufsleben zu erkennen kann fatal sein; es sorgt dafür einfach so gut wie nirgendwo anders mehr arbeiten zu wollen. Wenn sich alle Menschen nur beschäftigen wollen, dann könnten sie eigentlich auch Klostergärten pflegen, Bücher schreiben oder von Mondmissionen träumen. Doch stattdessen tackern sie ihre Unterlagen, schimpfen auf Überstunden und ausbleibende Gehaltserhöhungen und eigentlich alle anderen Running Gags aus “The Office”
Meine Grundfrage nach 2.5 Jahren in diesem Wahnsinn war also längst nicht mehr: “Wo will ich jetzt arbeiten?”, sondern ein “Warum zum Fick will ich hier noch mitspielen?” Meine Suche nach Beitrag zur Welt sah anders aus.
Du kannst das Buch entspannt vorbestellen und dich zurücklehnen. Bis zur Veröffentlichung vergeht noch eine kleine Weile.
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